Geschichtsverein Sydekum

1. Besichtigung der Privatbrauerei Schinkel in Witzenhausen Die erste Station wird die Privatbrauerei Schinkels Brauhaus sein, die in den Jahren 2019 und 2022 bedeutende Investitionen getätigt hat. Die Pro- duktionskapazität konnte zunächst von 2.000 hl auf nunmehr 4.000 hl an einem neuen Standort ausgebaut werden. Ähnlich wie im Mündener Ratsbrauhaus, begann man auch in Witzenhausen mit einer kleinen Gaststättenbrauerei. Während land- auf, landab Brauereien schließen, der Absatz stagniert, geht man hier den konsequenten Weg als Hessens erste Bio-Brauerei mit der Verfeinerung des Bieres zu Brau-Spezialitäten. Die Besichtigung beginnt um 12 Uhr in der Brauerei, Am Sande 9 in Witzenhausen. Die Kosten für die Verkostung von 10,00 € pro Person sind vor Ort zu entrichten. 2. Besuch des Kirschblütenfestes in Unterrieden. Im Anschluss, ab ca. 14 Uhr, besteht die Möglichkeit das Kirschblütenfest der Absatzgenossenschaft Unterrie- den, Ludwigsteinstraße 6, zu besuchen. Wahrscheinlich werden an diesem Wochenende die Kirschen das Werraland in eine blühende weiße Landschaft verwandeln. „Wolfgangs Obstgarten“ steht offen. Auf dem Markt können Setzlinge von Kirschbäumen neben weiteren regionalen Spezialitäten erworben werden. Gegen 15:30 Uhr wollen wir die Weiterfahrt antreten. 3. Besuch des Schlosses Ermschwerd, Witzenhäuser Landstraße 1. Das Gutshaus derer von Butlar, das ab 1551 entstand, ist ein imposantes Bauwerk, dessen Außenfassade gegenwärtig saniert wird. Einem massiven Untergeschoss in Sandstein, folgen zwei Obergeschosse in Fach- werkbauweise. Im Rahmen einer kleinen Führung haben wir die Gelegenheit den Festsaal zu besichtigen und auf die Geschichte dieses Adelssitzes bis zur gegenwärtigen Nutzung zu blicken. Gegen 17 Uhr erreichen wir wieder Hann. Münden.
Am 06.04.2017 referierte unser Mitglied Holger Gruber (Stuttgart) in seinem Vortrag „Neues vom alten Rathaus“ über jenes Gebäude, das wiederholt einer umfassenden Sanierung unterzogen werden musste. Abseits der häufig wiederholten Betrachtung des Gebäudes im kunst- und baugeschichtlichen Kontext der Weserrenaissance, standen archivarische Quellen und regelmäßige Besuche der Baustelle im Vordergrund. Sicher entkräftet werden konnte die häufig wiederholte Einschätzung, dass die Erweiterung des Rathauses über den gotischen Kernbau hinaus, auf bislang unbebautem Grund stattgefunden hatte. Ganz besonders augenscheinlich wurde dieses anhand des durchgehenden Mauerwerks belegt, das sich an der Nordfassade im unteren Drittel ohne Baufuge in Richtung Ratsstube durchzieht. Die ab Sommer 1975 begonnene Neuverputzung des Rathauses hat die bis dato rund 90 Jahre währende Steinsichtigkeit und die heutige Nach- vollziehbarkeit am Bauwerk beseitigt. Ein weiterer wichtiger Beleg für die vorherige Bebauung des für den Rathausumbau benötigten Baugrunds findet sich deutlich im Baukostenbuch. Im Jahre 1603 wurden recht hohe Lohnkosten für den Abbruch der alten Gebäude und des Ausheben der Baugrube für die neuen Kellergewölbe zur heutigen Lotzestraße verausgabt. Abgebrochen wurde auch die dortige Trinkstube des Rates. Was war aber das Hauptmotiv für den Bau des neuen Rathauses? Ein Schlüsselbeleg ist, dass das Baukostenbuch nicht den Bau des Rat- hauses bezeichnet, sondern den eines Hochzeitshauses. Das ausgehende 16. Jahrhundert bot einer städtischen Oberschicht, einem vor allen aus dem Handel gespeisten Reichtum. Standesgemäße Eheschließungen sollten diesen Wohlstand repräsentieren, doch arteten die Feier- lichkeiten bisweilen tumultartig aus. So schleppten Kinder und weniger Begüterte Speisen und Getränke nach Hause. Diesem und anderen Sittenverfall versuchte man, vor allem nach einer Rüge des gesamten Rates durch die herzogliche Regierung, mit einem, auch den Reichtum und das wachsende Selbstbewusstsein des Rates ausdrückenden Baues eines neuen Hochzeitshauses und dem Erlass einer strengeren Hochzeitsordnung gerecht zu werden. Von Friedrich Weitmann zu Georg Grossmann Hinsichtlich des Baues vertraute sich der Rat zunächst Friedrich Weitmann an. Unter seiner Regie und unter Anwerbung von Maurern aus dem Voigtland wurde der Rathausumbau in Angriff genommen und in großen Teilen bis 1603 mit dem Richtfest abgeschlossen. Dann trat Georg Grossmann (auch Crossmann), in heutiger Sprache ausgedrückt, als Architekt, Bauleiter und Generalunternehmer für den Weiterbau auf. Ihm und seinem Sohn wird die Neugestaltung der Nordfassade mit den Schmuckgiebeln zugeschrieben. Wenn auch die genauen Hinter- gründe der Neukonzeption des Baues sich nicht erschließen lassen, so waren die Folgen unmittelbar nach der Fertigstellung und auch in jüngster Zeit noch spürbar. Auch wenn das Baukostenbuch 1609 geschlossen wurde, sind noch erhebliche Kosten in den Kämmerei-rechnun- gen der Folgejahre zu finden. Schon 1610 wurde das Tanzen im Hochzeitshaus in der oberen Halle verboten. Grund waren fehlende Stützen in beiden Rathaushallen. 1619 wurden die beiden Hallen mit dem Ein-zug zusätzlicher Stützen statisch gesichert. Vor allem wurden die Lasten des komplexen Dachstuhls bis in jüngste Zeit nicht hinreichend auf das Mauer- werk und die Stützkonstruktionen abgeleitet. Grossmann stellte dem ursprünglich geplanten durchgehenden breiten Satteldach, ein nördliches Quer- dach mit den fünf Zwerchhäusern gegenüber. 1724 stürzte der mittlere Zier- giebel, samt seiner Figur auf Marktplatz und dem Altan, den die Mündener als „die Grad“ bezeichneten. Neben den der Umgestaltung geschuldeten statischen Kinderkrankheiten, gab es eine Fülle von Umbauten und An-passungen an ge- änderte Nutzungsanforderungen, die fast jeder Generation erhebliche Auf- wendungen für den baulichen Unterhalt und die Sanierungen abforderten. IBilder: Die allegorische Figur „Glaube“ vom Mittelgiebel der Nordfassade. Das Bild der Sanierung des Jahres 1975 demonstriert Handlungsbedarf. „RPR 1724“ deutet auf den Einsturz und den Wiederaufbau des Giebels in diesem Jahr hin. Böse Zungen könnten meinen: „1724 war der Glaube vom Rathaus abgefallen.“ Fotos: Gruber, Stadtarchiv Text: Stefan Schäfer, Stadtarchivar
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Aktuelles Vorhaben

Exkursion: Die Region Witzenhausen erleben! am Sa. 22. Apr.2023, 11:15 Uhr; Abfahrt vor der Geschäftsstelle des Ver- eins in der Böttcherstr. Der Verein empfiehlt die Bildung von Fahrgemein- schaften.
1. Besichtigung der Privatbrauerei Schinkel in Witzenhausen Die erste Station wird die Privatbrauerei Schinkels Brauhaus sein, die in den Jahren 2019 und 2022 bedeutende Investitionen getätigt hat. Die Produkti- onskapazität konnte zunächst von 2.000 hl auf nun- mehr 4.000 hl an einem neuen Standort ausgebaut werden. Ähnlich wie im Mündener Ratsbrauhaus, begann man auch in Witzenhausen mit einer kleinen Gaststättenbrauerei. Während landauf, landab Braue- reien schließen, der Absatz stagniert, geht man hier den konsequenten Weg als Hessens erste Bio-Brauerei mit der Verfeinerung des Bieres zu Brau-Spezialitäten. Die Besichtigung beginnt um 12 Uhr in der Brauerei, Am Sande 9 in Wit- zenhausen. Die Kosten für die Verkostung von 10,00 € pro Person sind vor Ort zu ent- richten. 2. Besuch des Kirschblütenfestes in Unterrieden. Im Anschluss, ab ca. 14 Uhr, besteht die Möglichkeit das Kirsch- blütenfest der Absatzgenossen- schaft Unterrieden, Ludwigstein- straße 6, zu besuchen. Wahrscheinlich werden an diesem Wochenende die Kirschen das Werra- land in eine blühende weiße Landschaft verwandeln. „Wolfgangs Obstgarten“ steht offen. Auf dem Markt können Setzlinge von Kirschbäu- men neben weiteren regionalen Spezialitäten erworben werden. Gegen 15:30 Uhr wollen wir die Weiterfahrt antreten. 3. Besuch des Schlosses Ermschwerd, Witzenhäuser Landstraße 1. Das Gutshaus derer von Butlar, das ab 1551 entstand, ist ein impo- santes Bauwerk, dessen Außen- fassade gegenwärtig saniert wird. Einem massiven Untergeschoss in Sandstein, folgen zwei Oberge- schosse in Fachwerkbauweise. Im Rahmen einer kleinen Führung haben wir die Gelegenheit den Festsaal zu besichtigen und auf die Geschichte dieses Adelssitzes bis zur gegenwärtigen Nutzung zu blicken. Gegen 17 Uhr erreichen wir wieder Hann. Münden.
Am 06.04.2017 referierte unser Mitglied Holger Gruber (Stuttgart) in seinem Vortrag „Neues vom alten Rathaus“ über jenes Gebäude, das wiederholt einer umfassenden Sanierung unterzogen werden musste. Abseits der häufig wiederholten Betrachtung des Gebäudes im kunst- und baugeschichtlichen Kontext der Weserrenaissance, standen archivarische Quellen und regelmäßige Besuche der Baustelle im Vordergrund. Sicher entkräftet werden konnte die häufig wiederholte Einschätzung, dass die Erweiterung des Rathauses über den gotischen Kernbau hinaus, auf bislang unbebautem Grund stattgefunden hatte. Ganz besonders augenscheinlich wurde dieses anhand des durchgehenden Mauerwerks belegt, das sich an der Nordfassade im unteren Drittel ohne Baufuge in Richtung Ratsstube durchzieht. Die ab Sommer 1975 begonnene Neuverputzung des Rathauses hat die bis dato rund 90 Jahre währende Steinsichtigkeit und die heutige Nach- vollziehbarkeit am Bauwerk beseitigt. Ein weiterer wichtiger Beleg für die vorherige Bebauung des für den Rathausumbau benötigten Baugrunds findet sich deutlich im Baukostenbuch. Im Jahre 1603 wurden recht hohe Lohnkosten für den Abbruch der alten Gebäude und des Ausheben der Baugrube für die neuen Kellergewölbe zur heutigen Lotzestraße verausgabt. Abgebrochen wurde auch die dortige Trinkstube des Rates. Was war aber das Hauptmotiv für den Bau des neuen Rathauses? Ein Schlüsselbeleg ist, dass das Baukostenbuch nicht den Bau des Rat-hauses bezeichnet, sondern den eines Hochzeitshauses. Das ausgehende 16. Jahrhundert bot einer städtischen Oberschicht, einem vor allen aus dem Handel gespeisten Reichtum. Standesgemäße Eheschließungen sollten diesen Wohlstand repräsentieren, doch arteten die Feier-lichkeiten bisweilen tumultartig aus. So schleppten Kinder und weniger Begüterte Speisen und Getränke nach Hause. Diesem und anderen Sittenverfall versuchte man, vor allem nach einer Rüge des gesamten Rates durch die herzogliche Regierung, mit einem, auch den Reichtum und das wachsende Selbstbewusstsein des Rates ausdrückenden Baues eines neuen Hochzeitshauses und dem Erlass einer strengeren Hochzeitsordnung gerecht zu werden. Von Friedrich Weitmann zu Georg Grossmann Hinsichtlich des Baues vertraute sich der Rat zunächst Friedrich Weitmann an. Unter seiner Regie und unter Anwerbung von Maurern aus dem Voigtland wurde der Rathausumbau in Angriff genommen und in großen Tei- len bis 1603 mit dem Richtfest abge- schlossen. Dann trat Georg Gross- mann (auch Crossmann), in heutiger Sprache ausgedrückt, als Architekt, Bauleiter und Generalunterneh- mer für den Weiterbau auf. Ihm und seinem Sohn wird die Neugestaltung der Nordfassade mit den Schmuckgiebeln zuge- schrieben. Wenn auch die genauen Hintergründe der Neukonzep- tion des Baues sich nicht erschließen lassen, so waren die Folgen unmittelbar nach der Fertigstellung und auch in jüngster Zeit noch spürbar. Auch wenn das Baukostenbuch 1609 geschlossen wurde, sind noch erhebliche Kosten in den Kämmerei-rechnungen der Fol- gejahre zu finden. Schon 1610 wurde das Tanzen im Hochzeitshaus in der oberen Halle verboten. Grund waren fehlende Stützen in bei- den Rathaushallen. 1619 wurden die beiden Hallen mit dem Ein-zug zusätzlicher Stützen statisch gesichert. Vor allem wurden die Lasten des komplexen Dachstuhls bis in jüngste Zeit nicht hinreichend auf das Mauerwerk und die Stützkonstruktionen abgeleitet. Grossmann stellte dem ursprünglich geplanten durchgehenden breiten Sattel- dach, ein nördliches Quer-dach mit den fünf Zwerchhäusern gegenüber. 1724 stürzte der mittlere Zier-giebel, samt seiner Figur auf Marktplatz und dem Altan, den die Mündener als „die Grad“ bezeichneten. Neben den der Umgestaltung geschuldeten stati- schen Kinderkrankheiten, gab es eine Fülle von Umbauten und An- passungen an ge-änderte Nutzungsanforderungen, die fast jeder Generation erhebliche Auf-wendungen für den baulichen Unterhalt und die Sanierungen abforderten. IBilder: Die allegorische Figur „Glaube“ vom Mittelgiebel der Nordfassade. Das Bild der Sanierung des Jahres 1975 demonstriert Handlungsbedarf. „RPR 1724“ deutet auf den Einsturz und den Wiederaufbau des Giebels in diesem Jahr hin. Böse Zungen könnten meinen: „1724 war der Glaube vom Rathaus abgefallen.“ Fotos: Gruber, Stadtarchiv Text: Stefan Schäfer, Stadtarchivar